Die 10 wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution

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Mark Cartwright
von , übersetzt von Werner Patels
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Die Industrielle Revolution in Großbritannien hat das Leben so gut wie aller Menschen grundlegend verändert, sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause. Lärm, Schmutz, soziale Umbrüche und eintönige Jobs waren der Preis für Maschinen, die einem die Arbeit abnahmen, für günstige und bequeme Verkehrsmittel, erschwinglichere Konsumgüter, bessere Beleuchtung und Heizung – und schnellere Wege, miteinander zu kommunizieren.

Keine Liste von Erfindungen kann je vollständig sein, das liegt in der Natur der Sache. Aber die folgenden zehn Erfindungen wurden nicht nur deshalb ausgewählt, weil sie an sich schon beeindruckend waren, sondern auch, weil sie andere Erfindungen überhaupt erst möglich gemacht haben. Und weil sie das Arbeitsleben und den Alltag von Millionen Menschen komplett auf den Kopf gestellt haben. Entscheidend ist außerdem der Zeitraum, den wir hier betrachten: von etwa 1750 bis 1860. Unter diesen Gesichtspunkten sind das die zehn wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution:

  • Die Dampfmaschine von Watt (1778)
  • Der mechanische Webstuhl (1785)
  • Die Baumwollentkörnungsmaschine (1794)
  • Die Gas-Straßenbeleuchtung (1807)
  • Der Elektromagnet (1825)
  • Das erste Foto (ca. 1826)
  • Stephensons „Rocket“ (1829)
  • Der elektrische Telegraf (1837)
  • Der Dampfhammer (1839)
  • Die Massenproduktion von Stahl (1856)

Watt & Boulton Steam Engine
Die Dampfmaschine von Watt & Boulton
Science Museum, London (CC BY-NC-SA)

Die Dampfmaschine von Watt

Die Dampfmaschine, die die Energie aus der Ausdehnung erhitzten Wassers nutzte, gilt oft als die wichtigste Erfindung der Industriellen Revolution, vor allem deshalb, weil so viele andere bedeutende Erfindungen später durch sie angetrieben wurden. Ursprünglich entstand die Dampfmaschine aus der Notwendigkeit, überflutete Minenschächte leerzupumpen, um tiefer graben zu können. Die erste dampfbetriebene Pumpe wurde 1698 von Thomas Savery (ca. 1650–1715) erfunden. 1712 entwickelte Thomas Newcomen (1664–1729) in Dudley in den Midlands eine leistungsstärkere Version, mit der sich Kohlebergwerke effizient entwässern ließen.

Dampfmaschinen wurden für Züge und Dampfschiffe eingesetzt, was einen regelrechten Boom in der Kohleförderung auslöste.

Um die Dampfmaschine für andere Zwecke nützlicher zu machen, musste sie sowohl im Verbrauch als auch in der Leistung effizienter werden. Der schottische Instrumentenbauer James Watt (1736–1819) und Matthew Boulton (1728–1809) tüftelten lange an der Dampfmaschine herum, bis sie 1778 einen separaten Kondensator erfanden, der die Effizienz der Maschine drastisch steigerte. Die Leistung steigerte sich auch dadurch, dass der Dampf den Kolben nicht nur nach oben, sondern auch nach unten bewegte, daher auch der Name „doppeltwirkende Maschine“. So konnte die „Pferdestärke“, ein Begriff, den Watt prägte, deutlich erhöht werden. Die Kraft der Maschine wurde zudem durch ein Schwungrad in eine vielseitigere Drehbewegung umgewandelt. Mit nur einem Viertel des Brennstoffs der Newcomen-Maschine war Watts Dampfmaschine so günstig im Betrieb, dass man sie fast überall einsetzen konnte. Die Dampfmaschinen wurden ständig weiterentwickelt, vor allem mit der Expansionsdampfmaschine. Außerdem wurden immer bessere Werkzeugmaschinen eingesetzt, mit denen stärkere und passgenauere Teile hergestellt werden konnten.

Um 1800 ratterten in Großbritannien bereits über 2.500 Dampfmaschinen – die meisten davon in Bergwerken, Spinnereien und Fabriken. 500 dieser Maschinen kamen allein aus der Werkstatt von Watt und Boulton in Birmingham. Kein Lebensbereich blieb unberührt. Dampf trieb jetzt alles Mögliche an: Springbrunnen, Dreschmaschinen, Abwasserpumpen, Druckmaschinen. Kurz gesagt, alles, was schieben, ziehen, heben oder pressen musste, ließ sich plötzlich viel effizienter erledigen. Auch Züge und Dampfschiffe fuhren mit Dampf, und passend dazu erlebte der Kohlebergbau, aus dem die Dampfmaschine ursprünglich hervorgegangen war, einen gewaltigen Aufschwung.

The First Industrial Revolution, c. 1760 - 1840
Die Erste Industrielle Revolution, ca. 1760–1840
Simeon Netchev (CC BY-NC-ND)

Der mechanische Webstuhl

Die britische Textilindustrie wurde während der Industriellen Revolution komplett auf den Kopf gestellt, dank Maschinen wie dem mechanischen Webstuhl. Diese Webmaschine wurde 1785 von Edmund Cartwright (1743–1823) erfunden und verdoppelte die Geschwindigkeit der Stoffproduktion. Damit wurden erfahrene Handweber über Nacht praktisch überflüssig. Die vollautomatisierte Maschine brauchte nur noch eine Person, die hin und wieder die vollen Spindeln auswechselte. Ihren ersten großen Durchbruch hatte die Maschine in den Fabriken von Richard Arkwright (1732–1792), einem Pionier der Textilindustrie. Der britische Staat bedankte sich später auf seine Weise: 1809 erhielt Cartwright stolze 10.000 Pfund für seine wegweisende Erfindung. Aber damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Andere Tüftler machten sich daran, Cartwrights Modell weiter zu verbessern, wie beispielsweise Richard Roberts (1789–1864), der 1822 eine zuverlässigere Version aus Eisen entwickelte. Textilfabriken im ganzen Land rüsteten schnell auf. Und das Ergebnis? 1835 surrten bereits 50.000 mechanische Webstühle in Großbritannien, und kein anderes Land konnte Stoffe so billig und in solchen Mengen herstellen.

Im Jahr 1790 machte Baumwolle in Großbritannien gerade mal 2,3 % der gesamten Importe aus, doch bis 1830 war dieser Anteil auf sagenhafte 55 % gestiegen.

Mit der rasanten Verbreitung des mechanischen Webstuhls standen Erfinder unter Zugzwang: Es mussten bessere Spinnmaschinen her, um die unersättlichen Webstühle mit genug Garn zu versorgen. Die Maschinenbediener brauchten jetzt keine Textilkenntnisse mehr. Ihre Hauptaufgabe war es, die Maschinen am Laufen zu halten, oft rund um die Uhr. Gleichzeitig entstanden neue Arbeitsplätze, denn überall schossen Fabriken aus dem Boden. Textilwaren wurden für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich, und auch Zulieferbranchen wie Baumwollplantagen und Kohlebergwerke erlebten einen kräftigen Aufschwung. Doch der Wandel hatte auch seine Schattenseiten: Viele Arbeitgeber nutzten das neue Fabriksystem rücksichtslos aus. Die miserablen Arbeitsbedingungen führten schließlich zur Entstehung der Gewerkschaftsbewegung, die sich für die Rechte und die Gesundheit der Arbeiter starkmachte.

Die Baumwollentkörnungsmaschine

Jetzt, wo das Spinnen und Weben vollständig mechanisiert war, schossen Tempo und Menge der Textilproduktion regelrecht durch die Decke. Was man nun dringend brauchte, war genug Nachschub an Rohmaterial, vor allem Baumwolle. Die wurde damals noch mühsam von Hand gepflückt, sortiert und gereinigt, meist von Versklavten auf großen Plantagen im Süden der USA. Eli Whitney (1765–1825) aus Massachusetts zog auf eine Baumwollplantage in Georgia und machte sich daran, die Produktion zu beschleunigen. Das größte Nadelöhr war das Entkernen: Die klebrigen Samen aus den Baumwollfasern zu entfernen, war eine endlose Plackerei. Whitneys Lösung war die „Cotton Gin“, wobei „Gin“ einfach „Maschine“ oder „Apparat“ bedeutet.

The Cotton Pickers by Winslow Homer
„The Cotton Pickers“ von Winslow Homer
Winslow Homer (Public Domain)

Anfangs wurde die Baumwollentkörnungsmaschine noch mit Pferdekraft oder Wasserrädern betrieben, doch schon bald kam auch hier Dampf zum Einsatz. Die Maschine zog die Rohbaumwolle durch ein feines Gitter, wo rotierende Metallzähne und kleine Haken die Fasern voneinander trennten und die hartnäckigen Samen herausrissen. Eine einzige „Cotton Gin“ konnte bis zu 25 Kilo Baumwolle am Tag verarbeiten, eine unglaubliche Menge im Vergleich zur mühsamen Handarbeit zuvor. Doch je mehr Baumwolle die Maschinen fraßen, desto mehr Hände wurden auf den Feldern gebraucht. Die Folge: Auf den Plantagen im Süden der USA mussten immer mehr Versklavte die Baumwollkapseln pflücken, um den unersättlichen Maschinen Nachschub zu liefern. Whitneys Erfindung war so erfolgreich, dass sie überall illegal kopiert wurde. Bis 1860 war die Zahl der versklavten Menschen in den USA auf fast vier Millionen gestiegen. Die USA produzierten damals rund 75 % der weltweiten Baumwolle. Auch in Großbritannien hatte Baumwolle einen beispiellosen Siegeszug angetreten: 1790 machten Baumwollimporte gerade mal 2,3 % aus, doch 1830 waren es bereits 55 %. Und die Textilfabriken im Land verarbeiteten das Rohmaterial so effektiv, dass Baumwollstoffe in alle Welt exportiert wurden. 1830 machte allein Baumwolltextil die Hälfte aller britischen Exporte aus. Wie es der Historiker R. C. Allen treffend beschrieb, war Baumwolle nun die Wunderbranche der Industriellen Revolution (182).

Die Gas-Straßenbeleuchtung

Die nächtliche Dunkelheit, die bisher nur durch schwaches Öl- oder Talgkerzenlicht erhellt wurde, fand mit der Erfindung der Gasbeleuchtung endlich ein Ende. Schon zwischen 1792 und 1794 entdeckte der Schotte William Murdock (1754–1839), dass Kohlenstaub ein Gas abgab, das sich entzünden ließ. Murdock setzte Gaslampen erfolgreich in seiner Gießerei in Birmingham ein. Die Idee, Gas für die Straßenbeleuchtung zu nutzen, wurde dann ab 1807 vom deutschen Erfinder Friedrich Albert Winsor (1763–1830) vorangetrieben. Winsor zeigte das Potenzial seiner Erfindung spektakulär: Er installierte Gaslaternen entlang der Straße Pall Mall bis zum St. James’ Park in London. Eine echte Sensation! Daraufhin bekam die Pall Mall 13 dauerhafte Gaslaternen und wurde somit die erste Straße der Welt, die permanent mit Gaslicht erhellt wurde. Rund um 1820 gab es in London bereits 40.000 Gaslaternen, die nachts für Helligkeit sorgten.

The First Coal Gas Street Lighting
Die erste Gas-Straßenbeleuchtung mit Kohlengas
Rowlandson & Woodward (Public Domain)

Dass die Straßen plötzlich abends hell erleuchtet waren, veränderte das Leben der Menschen grundlegend. Dunkle Gassen wirkten nicht mehr ganz so bedrohlich, und immer mehr Leute trauten sich auch nach Sonnenuntergang wieder aus dem Haus: in Restaurants, Theater oder einfach zum Spazierengehen. Die Idee machte schnell Schule. 1816 war Baltimore die erste Stadt in den USA, die ihre Straßen mit Kohlengas beleuchtete. Und auch Paris zog bald nach: Schon 1820 flackerte dort das erste Gaslicht durch die Straßen der Stadt.

Der Elektromagnet

Der kanadische Ingenieur William Sturgeon (1783–1850) ließ sich von den Arbeiten des französischen Wissenschaftlers André-Marie Ampère (1775–1836) und des dänischen Physikers Hans Christian Ørsted (1777–1851) inspirieren und entwickelte 1825 den ersten Elektromagneten. Sein Aufbau war im Grunde simpel: Ein Hufeisen wurde von einer Drahtspule umgeben, durch die Strom floss. Dadurch ließ sich das Eisen magnetisieren, und genauso leicht wieder entmagnetisieren. Mit dieser Magnetkraft konnte man nun Dinge heben. Doch Sturgeon ging noch einen Schritt weiter: Als er den Kommutator erfand, konnte sein Elektromagnet plötzlich einen Motor antreiben. Damit wurde aus dem einfachen Magneten eine vielseitige Energiequelle, die weit über das bloße Heben von Objekten hinausging. Von der elektrischen Telegrafie (dazu gleich mehr) bis zur modernen Waschmaschine: Sturgeons Prinzip steckt heute in unzähligen Geräten, die unseren Alltag bestimmen.

William Sturgeon's Electromagnet
William Sturgeons Elektromagnet
Science Museum, London (CC BY-NC-SA)

Das erste Foto

Das erste Foto der Welt wurde 1826 vom Franzosen Joseph Nicéphore Niépce (1765–1833) aufgenommen. Er verwendete dazu eine sogenannte Camera Obscura, also eine einfache Box mit einem kleinen Loch samt Linse. Das Bild, das dabei entstand, trägt den Titel Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras. Es ist zwar etwas unscharf, aber bis heute die älteste erhaltene Fotografie einer realen Szene. Die Camera Obscura war damals keine Neuheit, denn Künstler und Kupferstecher hatten sie schon lange genutzt, um Motive besser abzeichnen zu können. Neu war allerdings Niépces Idee, das durch die Linse projizierte Bild dauerhaft festzuhalten, und zwar auf mit Silberchlorid beschichtetem Papier, das lichtempfindlich war. Seine Methode nannte er Heliografie. Das Ganze hatte jedoch zwei große Haken. Erstens verschwand das Bild wieder, sobald es erneut Licht ausgesetzt wurde. Es wurde einfach schwarz. Zweitens entstand ein Negativ: Helle Bereiche erschienen dunkel und umgekehrt. Niépce fand schließlich eine Lösung. Er trug eine Bitumenlösung auf eine Glas- oder Zinnplatte auf. So konnte er den Ausblick aus seinem Fenster tatsächlich festhalten. Das war der Startschuss für die Fotografie, wie wir sie kennen. Später griff Louis-Jacques Daguerre (1789–1851) die Idee auf und entwickelte sie weiter: Er verwendete aber Kupferplatten, die mit Silber beschichtet waren, und siehe da, das Ergebnis war ein Positivbild, also eins mit den richtigen Helligkeitswerten. Die sogenannte Daguerreotypie war geboren. Der französische Staat kaufte Daguerres Verfahren auf und machte es öffentlich, was einen wahren Fotografie-Boom auslöste. Aber auch in England tat sich etwas: William Henry Fox Talbot (1800–1877) erfand 1840 das erste Verfahren, mit dem man Papiernegative herstellen konnte, und von denen ließ sich beliebig oft ein Abzug machen.

Mit dem Aufkommen der Fotografie wurde es plötzlich möglich, dass sich Menschen aller Gesellschaftsschichten porträtieren ließen. Doch die Kamera veränderte noch viel mehr: Sie stellte die Kunstwelt auf den Kopf. Viele Maler sahen keinen Sinn mehr darin, die Wirklichkeit möglichst detailgetreu auf die Leinwand zu bringen, denn das konnte die Kamera jetzt viel schneller und präziser. Stattdessen begannen Künstler, sich auf das zu konzentrieren, was die Fotografie nicht leisten konnte: flüchtige Lichtstimmungen einfangen, Farben sprechen lassen, Gefühle und Eindrücke darstellen. So trug die Kamera mit dazu bei, dass sich neue Kunstrichtungen entwickelten, wie der Impressionismus und der Symbolismus, die ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung gewannen.

The Earliest Photograph by Niépce
Das älteste Foto von Niépce
 Joseph Nicéphore Niépce (Public Domain)

Stephensons „Rocket“

Die ersten Eisenbahnen waren eher praktische Hilfsmittel als Verkehrsmittel: kurze Gleisstrecken in Bergwerken, auf denen Loren mit Material zum nächsten Hafen oder Lagerplatz gerollt wurden. George Stephenson (1781–1848) betrieb in Newcastle ein Unternehmen, das sich genau auf solche Kohlezüge spezialisierte. Doch Stephenson dachte weiter: Wenn man Kohle auf Schienen transportieren konnte, warum nicht auch Menschen? Also entwickelte er „Locomotion 1“, eine Dampflok, die stark genug war, um auch Waggons ziehen. Und tatsächlich war es 1825 so weit. In Nordostengland fuhr der erste Dampfzug mit Passagieren von Stockton nach Darlington.

Georges Sohn, Robert Stephenson (1803–1859), setzte noch einen drauf: mit der legendären „Rocket“, einer bahnbrechenden Dampflokomotive, die er 1829 entwickelte. Im selben Jahr traten bei den Rainhill Trials mehrere Lokomotiven gegeneinander an, um herauszufinden, welche von ihnen für die allererste Intercity-Strecke der Welt geeignet war – zwischen Liverpool und Manchester. Und Robert Stephensons Rocket ließ die Konkurrenz hinter sich. Sie war nicht nur zuverlässig und stark, sondern steckte voller technischer Innovationen: Ein mehrrohriger Kessel sorgte für eine schnellere Dampferzeugung, und ein neuartiges Dampfstrahlrohr verstärkte den Zugkraft-Effekt erheblich. Damit war die Rocket ihren Rivalen haushoch überlegen. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 48 km/h, was damals atemberaubend schnell war, holte sich die Rocket verdient den Preis von 500 Pfund (das wären heute rund 42.000 Pfund oder 50.000 US-Dollar). Die neue Strecke war sofort ein Hit: Schon bald nutzten täglich 1.200 Passagiere die Verbindung zwischen den beiden Industriestädten. Und damit war klar: So sieht die Zukunft der Mobilität aus, nicht nur in Großbritannien, sondern überall auf der Welt.

Stephenson's Rocket Replica
Replika von Stephensons Rocket
Tony Hisgett (CC BY)

Während des „Eisenbahnrausches“ wurden bis 1870 unglaubliche 24.000 Kilometer Schienen in Großbritannien verlegt. Ab 1848 konnte man mit dem Zug in nur 12 Stunden von London nach Glasgow reisen, und das bei einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h! Mit der Postkutsche hätte man dafür früher fünf Tage oder mehr gebraucht. Der Eisenbahnbau löste einen riesigen wirtschaftlichen Boom aus: Der Bedarf an Kohle (als Brennstoff) sowie an Eisen und Stahl (für Schienen, Brücken und Züge) stieg rasant. Das Reisen selbst wurde auf einmal für viele Menschen möglich: Tagesausflüge ans Meer oder in die Natur wurden zur Mode. Auch der Arbeitsmarkt profitierte massiv: Vom Bahnhofsvorsteher bis zur Reinigungskraft, die Eisenbahn schuf Jobs für alle möglichen Berufe. Und es gab weitere Nebeneffekte: Briefe konnten am nächsten Tag landesweit zugestellt werden, und weil Millionen Tonnen Fracht günstig transportiert werden konnten, wurden Konsumgüter billiger und für viele erschwinglich.

Der elektrische Telegraf

Die Eisenbahn revolutionierte nicht nur das Reisen, sondern auch die Kommunikation, denn mit ihr wurden Postsäcke in Rekordtempo durchs Land transportiert. 1840 führte Großbritannien das „Penny Post“-System ein: Für einen Penny konnte man Briefe verschicken, die meist schon am nächsten Tag ankamen. Doch da stand bereits ein ernstzunehmender Konkurrent in den Startlöchern: der Telegraf. Erfunden wurde er 1837 von William Fothergill Cook (1806–1879) und Charles Wheatstone (1802–1875). Das erste Telegrafengerät war technisch ziemlich simpel, aber genial: Es verfügte über fünf Nadeln, von denen jeweils zwei sich leicht zu einem Buchstaben bewegten, allerdings standen nur 20 Buchstaben zur Verfügung. Die Bewegung der Nadeln wurde durch elektrische Impulse ausgelöst, die über eine Telegrafenleitung zwischen zwei Geräten übertragen wurden. Damit konnten kurze Nachrichten nun blitzschnell über große Entfernungen übermittelt werden. Zuerst nutzte man das System vor allem bei der Eisenbahn, um Anweisungen an Lokführer und Bahnhöfe weiterzugeben.

The First Telegraph Machine
Die erste Telegrafenmaschine
Science Museum, London (CC BY-NC-SA)

Der erste erfolgreiche Einsatz des Telegrafen fand 1838 auf der Great Western Railway statt, auf der Strecke zwischen Paddington Station in London und West Drayton, rund 21 Kilometer entfernt. Anfangs verlegte man die Kabel noch unterirdisch, doch bald wurden sie isoliert und offen zwischen Masten gespannt, den später typischen Telegrafenmasten. Als sich das System im gesamten britischen Eisenbahnnetz verbreitete, ergab sich ein völlig neuer Nutzen: Zum ersten Mal war eine einheitliche Uhrzeit möglich. Durch den Telegrafen konnte nun überall Greenwich Mean Time (GMT) durchgesetzt werden. Auch der Informationsfluss veränderte sich radikal: Nachrichten verbreiteten sich nun in nie dagewesener Geschwindigkeit. Besonders für die Polizei war das Gold wert: Plötzlich konnte man Kollegen am anderen Ende des Landes über Verbrechen informieren und sogar flüchtige Täter schneller schnappen. Einen echten Quantensprung machte die Telegrafie 1844, als der Amerikaner Samuel Morse (1791–1872) zusammen mit Alfred Vail seinen Morsecode erstmals in der Praxis einsetzte. Der nächste Meilenstein kam 1866, als das riesige Dampfschiff SS Great Eastern, entworfen von Isambard Kingdom Brunel, das erste Telegrafenkabel quer über den Atlantik verlegte. Und plötzlich fühlte sich die Welt ein ganzes Stück kleiner an, und das Leben deutlich schneller.

Der Dampfhammer

Der Dampfhammer ist vielleicht nicht die schillerndste Erfindung auf dieser Liste, aber eine der wichtigsten, wenn es darum geht, andere bahnbrechende Entwicklungen überhaupt erst möglich zu machen. Er wurde 1839 vom Schotten James Nasmyth (1808–1890) entwickelt und war eigentlich ein ziemlich simples Gerät: Eine Dampfmaschine ließ ein gewaltiges Gewicht kontrolliert fallen (später auch mit Druck nach unten treiben) und schlug damit mit höchster Präzision auf ein Werkstück, das auf einer verstellbaren Ambossplatte lag. Der Dampfhammer konnte in jeder gewünschten Größe gebaut werden. So konnten auch riesige Metallteile geschmiedet oder gebogen werden, die mit herkömmlichen Methoden gar nicht zu bearbeiten gewesen wären. Dank seiner Genauigkeit ließ sich dieselbe Form immer wieder exakt reproduzieren, ein entscheidender Vorteil beim Bau von Maschinen, bei dem viele Bauteile ident sein mussten. Ohne den Dampfhammer gäbe es keine riesigen Dampfmaschinen, keine Lokomotiven, keine eisernen Schiffe, keine schweren Kanonen und keine stabilen Brücken aus Stahlträgern.

Nasmyth's Steam Hammer
Nasmyths Dampfhammer
The Board of Trustees of the Science Museum (CC BY-NC-SA)

Nasmyths Maschine war so präzise, dass er Besuchern in seiner Gießerei stolz vorführen konnte, wie ein 2,5 Tonnen schwerer Hammer eine Eierschale in einem Weinglas zerdrückte, ohne das Glas zu beschädigen. Diese unglaubliche Feinfühligkeit machte den Dampfhammer nicht nur für grobe Schmiedearbeiten interessant, sondern auch für filigrane Aufgaben wie das Prägen von Münzen oder das Drucken von Banknoten. Ein weiterer Vorteil: die Geschwindigkeit. Der Hammer konnte bis zu 220 Schläge pro Minute ausführen. Für die Bedienung reichte eine einzige Person aus, die lässig einen Hebel betätigte. Im Gegensatz zu vielen anderen genialen Erfindern seiner Zeit verdiente Nasmyth mit seiner Erfindung ein Vermögen. Der Dampfhammer war ein echter Gamechanger für die Industrie.

Die Massenproduktion von Stahl

Während der Industriellen Revolution war Eisen der Werkstoff schlechthin. Es steckte in Maschinen, Werkzeugen, Gebäuden und Brücken. Aber Stahl ist Eisen in fast jeder Hinsicht überlegen: stärker, biegsamer und leichter. Und genau deshalb war Stahl perfekt für große Bauprojekte wie Brücken oder für stark belastete Teile wie Eisenbahnschienen. Das Problem? Die Herstellung von Stahl war lange Zeit teuer und aufwendig. Wie so oft in der Industriellen Revolution war die Lösung ein neues Verfahren, das auf einer ganzen Pyramide früherer Erfindungen aufbaute. Es entstand aus dem ständigen Streben nach mehr Effizienz und geringeren Kosten.

Bessemer Converter, Sheffield
Die Bessemerbirne in Sheffield
LHOON (CC BY-SA)

Henry Bessemer (1813–1898) entwickelte 1856 einen Konverter (eine „Birne“), der die Stahlproduktion revolutionierte: schneller, günstiger und zuverlässiger als alles zuvor. Die großen Bessemerbirnen wurden mit flüssigem Roheisen befüllt und konnten in nur 20 bis 30 Minuten bis zu 30 Tonnen Stahl erzeugen. Möglich wurde das, indem man unter hohem Druck Luft durch das flüssige Metall leitete. Der Sauerstoff verband sich mit dem im Eisen enthaltenen Kohlenstoff und anderen Verunreinigungen, die zu Oxiden wurden und sich als Schlacke absetzten. Übrig blieb reiner, stabiler Stahl. Der Effekt war enorm: Der Preis pro Tonne Stahl fiel innerhalb weniger Jahre von 50 auf nur 4 Pfund (Stand 1875). Die Stadt Sheffield wurde durch das Bessemer-Verfahren zu einem der wichtigsten Stahlstandorte der Welt. Besonders gefragt waren Eisenbahnschienen, die von dort aus nach Großbritannien, in die USA und in viele andere Länder exportiert wurden.

Fragen und Antworten

Was waren die drei wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution?

Die drei wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution waren die Watt-Dampfmaschine (1778), der mechanische Webstuhl (1785) und die Dampflokomotive Rocket (1829).

Was war die wichtigste Erfindung während der Industriellen Revolution?

Die wichtigste Erfindung während der Industriellen Revolution war die Dampfmaschine, denn sie revolutionierte nicht nur die Energiegewinnung, sondern machte auch viele andere Erfindungen möglich, wie zum Beispiel Züge und Industrieanlagen.

Übersetzer

Werner Patels
Werner Patels ist seit fast 40 Jahren als Übersetzer tätig. Neben seiner Ausbildung in Sprachen und Übersetzung hat er auch Politikwissenschaft studiert. Er ist ein leidenschaftlicher Leser, sowohl moderner Literatur als auch klassischer Werke. Für historische Themen interessiert er sich ganz besonders.

Autor

Mark Cartwright
Mark ist hauptberuflich als Autor, Forscher, Historiker und Redakteur tätig. Zu seinen Spezialinteressen zählen Kunst, Architektur sowie die Erforschung der Ideen, die als gemeinsame Grundlage aller Zivilisationen betrachtet werden. Er hat einen MA in politischer Philosophie und ist Verlagsleiter bei WHE.

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Cartwright, M. (2023, März 20). Die 10 wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution [Top 10 Inventions of the Industrial Revolution]. (W. Patels, Übersetzer). World History Encyclopedia. Abgerufen auf https://www.worldhistory.org/trans/de/2-2204/die-10-wichtigsten-erfindungen-der-industriellen-r/

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Cartwright, Mark. "Die 10 wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution." Übersetzt von Werner Patels. World History Encyclopedia. Letzte März 20, 2023. https://www.worldhistory.org/trans/de/2-2204/die-10-wichtigsten-erfindungen-der-industriellen-r/.

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Cartwright, Mark. "Die 10 wichtigsten Erfindungen der Industriellen Revolution." Übersetzt von Werner Patels. World History Encyclopedia. World History Encyclopedia, 20 Mär 2023, https://www.worldhistory.org/article/2204/top-10-inventions-of-the-industrial-revolution/. Internet. 18 Jul 2025.