Altes Ägypten

Definition

Joshua J. Mark
von , übersetzt von Elisa Wasserer
Veröffentlicht am 02 September 2009
In anderen Sprachen verfügbar: Englisch, Chinesisch, Französisch, Russisch, Spanisch, Türkisch
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The Great Sphinx of Giza (by Jorge Láscar, CC BY)
Die große Sphinx von Gizeh
Jorge Láscar (CC BY)

Ägypten ist ein Land in Nordafrika, grenzt an das Mittelmeer und beheimatet eine der ältesten Zivilisationen der Erde. Der Name „Ägypten“ leitet sich aus dem griechischen Aegyptos ab, der griechischen Aussprache des altägyptischen Namens „Hwt-Ka-Ptah“ („Haus des Geistes des Ptah“), des ursprünglichen Namens der Stadt Memphis.

Memphis war die erste Hauptstadt Ägyptens und ein berühmtes Religions- und Handelszentrum. Die Tatsache, dass die Griechen das ganze Land nach ihr benannten, lässt auf ihren hohen Status schließen. Die alten Ägypter selbst nannten ihr Land einfach Kemet („Schwarzes Land“), nach der fruchtbaren schwarzen Erde entlang des Nils, an dessen Ufern die ersten Siedlungen entstanden. Später war es als Misr bekannt, was schlicht „Land“ bedeutet, und von den Ägyptern bis heute als Bezeichnung für ihre Nation verwendet wird. Ägypten florierte als unabhängiges Territorium für Tausende von Jahren (von ca. 8000 v. Chr. bis ca. 30 v. Chr.) und die ägyptische Kultur war berühmt für ihre großen Fortschritte in allen Bereichen des menschlichen Wissens, von Kunst über Wissenschaft zu Technologie und Religion. Die großen Bauwerke, für die das Alte Ägypten bis heute verehrt wird, zeugen von der Tiefe und Erhabenheit der ägyptischen Kultur, die so viele antike Zivilisationen beeinflusst hat, auch Griechenland und Rom.

Einer der Gründe für die anhaltende Popularität der ägyptischen Kultur liegt in ihrer Betonung der Würde und Erhabenheit der menschlichen Erfahrung. Die großen Monumente, Grabmäler, Tempel und Kunstwerke zelebrieren das Leben, erinnern an das, was einst war, und zeigen, was Menschen schaffen können, wenn sie ihr Bestes geben. Auch wenn das Alte Ägypten in der Popkultur vor allem mit Tod und Totenkult in Verbindung gebracht wird, scheint etwas daran die Menschen bis heute anzusprechen – was es bedeutet, ein Mensch zu sein und wie viel Macht in Erinnerung steckt.

Die schriftlich dokumentierte Geschichte Ägyptens beginnt zwischen 3400 und 3200 v. Chr. mit der Entwicklung der Hieroglyphen durch die Naqada III-Kultur.

Für die alten Ägypter war das Leben auf der Erde nur ein Aspekt einer ewigen Reise. Die Seele war unsterblich und bewohnte nur für kurze Zeit einen physischen Körper. Nach dem Tod wurde man vor das Totengericht in der Halle der Wahrheit gestellt und durfte, falls für würdig befunden, in ein ewiges Paradies eintreten. Dieses Paradies, auch Gefilde der Binsen genannt, spiegelte das Leben der Verstorbenen auf Erden. Wer dort ankam, fand sich im Kreis seiner Lieben wieder (einschließlich seiner Haustiere), in derselben Nachbarschaft, neben demselben Fluss, unter denselben Bäumen, die man mit dem Tod vermeintlich zurückgelassen hatte. Dieses ewige Leben stand jedoch nur jenen offen, die ein gutes Leben geführt und im Einklang mit dem Willen der Götter gelebt hatten, und zwar an dem Ort, der am besten dazu geeignet war: in Ägypten.

Ägypten hat eine lange Geschichte, die weit über schriftliche Zeugnisse, Geschichten über Götter und berühmte Monumente zurückreicht. Hinweise auf eine Überweidung durch Rinder in einem Gebiet, das heute zur Saharawüste gehört, lassen sich auf 8000 v. Chr. datieren. Zusammen mit gefundenen Artefakten deuten sie darauf hin, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits eine blühende agrarische Zivilisation in der Region gab. Auch damals war das Land vorwiegend trocken, weshalb nomadisch lebende Jäger und Sammler die Kühle des Niltals suchten und sich schließlich, irgendwann vor 6000 v. Chr., an seinen Ufern niederließen.

Naqada II pottery
Naqada II-Keramik
Guillaume Blanchard (CC BY-SA)

Organisierter Ackerbau begann in der Region um ca. 6000 v. Chr. und Siedlungsgemeinschaften der sogenannten Badari-Kultur etablierten sich entlang des Flusses. Ungefähr zur gleichen Zeit lassen sich erste industrielle Zeugnisse nachweisen: Fayence-Werkstätten, die in Abydos entdeckt wurden, lassen sich auf ca. 5500 v. Chr. datieren. Die Badari-Kultur wurde von der Amra-Kultur, der Girga-Kultur und der Naqada-Kultur abgelöst (auch bekannt als Naqada I, Naqada II und Naqada III), welche wichtige Errungenschaften zur Entwicklung der ägyptischen Zivilisation beitrugen. Die schriftlich dokumentierte Geschichte Ägyptens beginnt zwischen 3400 und 3200 v. Chr. mit der Entwicklung der Hieroglyphen durch die Naqada III-Kultur. Bereits um 3500 v. Chr. wurde in der Stadt Hierakonpolis Einbalsamierung und Mumifizierung der Toten praktiziert und in Abydos große, steinerne Grabmäler errichtet. Die Stadt Xois galt nach einer Inschrift auf dem berühmten Palermo-Stein bereits um 3100-2181 v. Chr. als „antik“. Wie bei anderen Kulturen der Welt wurden die kleinen agrarischen Gemeinschaften langsam zentralisiert und wuchsen zu größeren urbanen Zentren heran.

Frühgeschichte Ägyptens

Die Frühdynastische Periode (ca. 3150 bis ca. 2613 v. Chr.) sah die Vereinigung des nördlichen und südlichen Königreichs unter König Menes von Oberägypten, der um 3118 v. Chr. oder 3150 v. Chr. Unterägypten eroberte. Diese Version der ägyptischen Frühgeschichte stammt aus der Aegyptiaca („Geschichte Ägyptens“) des antiken Geschichtsschreibers Manetho, der während der ptolemäischen Dynastie (323-30 v. Chr.) im dritten Jahrhundert vor Christus lebte. Seine Chronologie wurde von späteren Historikern in Frage gestellt, bildet aber immer noch eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Dynastiereihenfolge und Frühgeschichte des Alten Ägyptens.

Narmer Palette [Two Sides]
Narmer-Palette [zwei Seiten]
Unknown Artist (Public Domain)

Manethos Werk ist die einzige Quelle, die Menes und seine Eroberung zitiert. Heutzutage gehen manche Forscher deshalb davon aus, dass mit „Menes“ bei Manetho eigentlich König Narmer gemeint ist, der Ober- und Unterägypten friedlich unter seiner Herrschaft vereinte. Diese Interpretation wird aber auch nicht durchgängig akzeptiert, andere Forscher verweisen auf glaubhafte Verbindungen zwischen Menes und seinem Nachfolger, König Hor-Aha (ca. 3100-3050 v. Chr.). Eine Erklärung für diese Verbindungen mit Menes‘ Vorgänger und Nachfolger liefert die Tatsache, dass „Menes“ kein persönlicher Name war, sondern ein Ehrentitel mit der Bedeutung „Er, der fortdauert“, und deshalb mehr als einen König bezeichnen konnte. Umstritten ist auch die Behauptung, dass das Land durch eine Militärkampagne vereinigt wurde. Auf der berühmten Narmer-Palette ist zwar ein militärischer Sieg dargestellt, aber einige Forscher interpretieren dies als königliche Propaganda. Es kann sein, dass das Land zuerst friedlich vereint wurde, aber das scheint wenig wahrscheinlich.

Geographische Bezeichnungen im Alten Ägypten folgen der Flussrichtung des Nils, so bezeichnet Oberägypten die südliche Region und Unterägypten das nördliche Gebiet nahe dem Mittelmeer. Narmer regierte zuerst von Hierakonpolis aus, später von Memphis und Abydos. Unter den Herrschern der Frühdynastischen Periode wurde der Handel ausgeweitet und aufwendige Grabbauten errichtet. Diese sogenannten Mastabas wurden zu den Vorläufern der späteren Pyramiden.

Die Götter

Seit der Prädynastik (ca. 6000-3150 v. Chr.) wurde die ägyptische Kultur vom Glauben an die Götter geprägt. Eine frühe ägyptische Schöpfungsgeschichte erzählt von dem Gott Atum, der vor Beginn der Zeit inmitten von wirbelndem Chaos stand und die Schöpfung durch sein Wort ins Dasein rief. Atum wurde von dem ewigen Prinzip Heka (Magie) begleitet, personifiziert in der Gestalt des Gottes Heka, sowie von anderen spirituellen Mächten, welche die Welt beleben würden. Heka war die Urmacht, die das ganze Universum durchdrang, und der Antrieb aller Dinge. Ohne Heka gab es keine Maat: das war das Prinzip von Harmonie und Gleichgewicht und der zentralste Wert der ägyptischen Kultur.

Alle Götter und alle ihre Aufgaben begründeten sich auf Maat und Heka. Die Sonne ging auf und unter, der Mond zog seine Bahn über den Himmel und die Jahreszeiten kamen und gingen, weil sie im Einklang mit der Weltordnung waren, die durch diese beiden Mächte ermöglicht wurde. Maat war ebenfalls als Göttin personifiziert – in Gestalt einer Straußenfeder – und jeder König musste ihr seine Hingabe schwören. Der König wurde zu seinen Lebzeiten mit dem Gott Horus gleichgesetzt und nach seinem Tod mit dem Gott Osiris, basierend auf einem der beliebtesten Mythen der ägyptischen Geschichte.

Egyptian God Osiris
Ägyptischer Gott Osiris
A.K. (Copyright)

Osiris und seine Schwester und Ehefrau Isis waren die ursprünglichen Herrscher, die die Welt regierten und der Menschheit die Zivilisation schenkten. Osiris‘ Bruder Seth war eifersüchtig und tötete ihn, aber Isis holte ihn wieder ins Leben zurück und brachte seinen Sohn Horus zur Welt. Weil aber ein Teil von Osiris fehlte, stieg er in die Unterwelt hinab, um dort zu regieren, während Horus heranwuchs und schließlich, als er erwachsen war, seinen Vater rächte und Seth besiegte. Dieser Mythos erzählt vom Triumph der Ordnung über das Chaos. Er entwickelte sich zu einem zentralen Motiv in der ägyptischen Religion, im Totenkult, in religiösen Texten und in der Kunst. Es gab keine Zeit, in der die Götter nicht eine wesentliche Rolle im Alltagsleben der Ägypter spielten. Dies lässt sich bis in die Anfänge der ägyptischen Geschichte zurückverfolgen.

Das Alte Reich

Während des Alten Reichs (ca. 2613-2181 v. Chr.) wurden in einem zunehmenden Maße Monumente zu Ehren der Götter geschaffen. Die Errichtung einiger der berühmtesten Bauwerke des Alten Ägyptens, darunter die Pyramiden und die große Sphinx von Gizeh, fallen in diese Zeit. Um ca. 2670 v. Chr. baute König Djoser die erste Stufenpyramide in Sakkara. Sein oberster Baumeister Imhotep (ca. 2667-2600 v. Chr.) war gleichzeitig Arzt und Verfasser einer der frühesten medizinischen Schriften der Menschheit, in der er die Behandlung von über 200 verschiedene Krankheiten beschrieb und argumentierte, dass Krankheiten natürliche Ursachen haben konnten und nicht nur dem Willen der Götter unterlagen. Die Große Pyramide von Gizeh (das einzige bis heute erhaltene der sieben Weltwunder der Antike) wurde während der Herrschaft von König Cheops (2589-2566 v. Chr.) errichtet, die Pyramide des Chephren (2558-2532 v. Chr.) und die Pyramide des Mykerinos (2532-2503 v. Chr.) folgten.

The Pyramids, Giza, Egypt
Die Pyramiden, Gizeh, Ägypten
Shellapic76 (CC BY)

Die Pyramiden waren ursprünglich von glänzendem weißem Kalkstein bedeckt. Die Pracht, die sie auf dem Plateau von Gizeh entfalteten, ist ein Testament an die Macht und den Reichtum der Herrscher aus dieser Zeit. Viele Theorien ranken sich um ihre Entstehung, auf die sich Wissenschaftler und Architekten bis heute nicht geeinigt haben. Einige behaupten, dass der Bau der Pyramiden von Gizeh mithilfe der damaligen Technik eigentlich gar nicht hätte möglich sein sollen. Andere argumentieren, dass die bloße Existenz dieser Grabmäler auf eine hochentwickelte Technologie schließen lässt, die mit der Zeit wieder verloren ging.

Es gibt keine Beweise dafür, dass die Monumente auf dem Gizeh-Plateau – und auch anderswo in Ägypten – mithilfe von Sklavenarbeit geschaffen wurden, auch lässt sich keine historische Lesart des biblischen Buchs Exodus unterstützen. Die meisten namhaften Gelehrten von heute lehnen die Behauptung ab, dass die Pyramiden und andere Bauwerke von Sklaven errichtet wurden, obwohl es damals durchaus Sklaven verschiedener Nationalitäten in Ägypten gab, die vor allem zur Arbeit in den Minen eingesetzt wurden. Ägyptische Monumente wurden als öffentliche Bauwerke betrachtet: sie wurden für den Staat errichtet und beschäftigten sowohl geschulte als auch ungeschulte ägyptische Arbeiter, die für ihre Leistungen bezahlt wurden. Arbeiter auf den Baustellen in Gizeh etwa erhielten dreimal am Tag eine Ration Bier. Ihre Unterkünfte, Werkzeuge und sogar die Höhe ihrer Krankenversicherung waren genau festgelegt.

Die Erste Zwischenzeit und die Hyksos

Die Ära der sogenannten Ersten Zwischenzeit (2181-2040 v. Chr.) sah einen Zusammenbruch der zentralistischen Regierung. In ganz Ägypten entwickelten sich stattdessen unabhängige Distrikte mit ihren eigenen Statthaltern, bis sich daraus schließlich zwei große Zentren abzeichneten: Hierakonpolis in Unterägypten und Theben in Oberägypten. Beide Zentren gründeten ihre eigenen Dynastien und regierten unabhängig voneinander. Immer wieder kam es zu Kämpfen um die Vorherrschaft, bis König Mentuhotep II. (ca. 2061-2010 v. Chr.) von Theben um das Jahr 2040 v. Chr. die Streitmächte von Hierakonpolis besiegte und Ägypten unter der Herrschaft Thebens wiedervereinte.

Das Mittlere Reich gilt als das „klassische Zeitalter“ Ägyptens, eine Zeit, in der Kunst und Kultur ihren Höhepunkt erreichten und Theben sich zur wichtigsten und reichsten Stadt entwickelte.

Die Stabilität der thebanischen Herrschaft führte zu einer Blütezeit, die als Mittleres Reich (2024-1782 v. Chr.) bezeichnet wird. Das Mittlere Reich gilt als das „klassische Zeitalter“ Ägyptens, eine Zeit, in der Kunst und Kultur ihren Höhepunkt erreichten und Theben sich zur wichtigsten und reichsten Stadt des Landes entwickelte. Laut den Historikern Oakes und Gahlin „waren die Könige der Zwölften Dynastie mächtige Herrscher, deren Kontrolle sich nicht nur über ganz Ägypten erstreckte, sondern auch über Nubien in Süden, wo mehrere Festungen gebaut wurden, um ägyptische Handelsinteressen zu schützen“ (11). Im Mittleren Reich wurde unter König Amenemhet I. (ca. 1991-1962 v. Chr.) die erste stehende Armee gegründet, unter König Sesostris I. (ca. 1971-1926 v. Chr.) mit dem Bau des Tempels von Karnak begonnen, und ein paar der wichtigsten Werke der ägyptischen Kunst und Literatur geschaffen. Die 13. Dynastie stellte sich dann jedoch als bedeutend schwächer als die 12. Dynastie heraus. Von ihren internen Problemen abgelenkt, ermöglichte sie den Einfall der Hyksos im Nildelta.

Die Hyksos sind ein bis heute rätselhaftes Volk. Sie stammten wahrscheinlich aus der Gegend von Syrien und Palästina, tauchten in Ägypten erstmals um ca. 1800 v. Chr. auf und ließen sich in der Stadt Auaris nieder. Die Namen der Hyksos-Könige sind semitischen Ursprungs, ihre genaue Volkszugehörigkeit kann nicht festgelegt werden. Sie weiteten ihre Macht schrittweise aus, bis sie schließlich um ca. 1720 v. Chr. die Herrschaft über große Teile Unterägyptens an sich gerissen hatten, während die thebanische Dynastie von Oberägypten fast zu einer Art Vasallenstaat wurde.

Map of Ancient Egypt
Karte des Alten Ägypten
Tina Ross (Copyright)

Diese Ära wird Zweite Zwischenzeit (ca. 1782-1570 v. Chr.) genannt. Während die Hyksos (deren Name „fremde Herrscher“ bedeutet) von den Ägyptern als Eindringlinge gehasst wurden, führten sie eine Reihe von wichtigen Neuerungen in die ägyptische Kultur ein, darunter Kompositbögen, Pferde und Streitwägen, Fruchtwechsel in der Landwirtschaft sowie Entwicklungen in der Bronze- und Keramikherstellung. Zur gleichen Zeit, in der die Hyksos die Häfen von Unterägypten im Norden kontrollierten, hatte sich in Nubien das Königreich Kusch etabliert, und kontrollierte um 1700 v. Chr. die Grenze zu Theben im Süden. Die Ägypter führten eine große Zahl an militärischen Kampagnen aus, um die Hyksos zu vertreiben und die Nubier zu unterwerfen, die jedoch alle scheiterten. Erst Prinz Ahmose I. von Theben (ca. 1570-1544 v. Chr.) hatte schließlich Erfolg und konnte das Land unter der Herrschaft von Theben neu vereinen.

Das Neue Reich und die Amarna-Zeit

Mit Ahmose I. begann das Zeitalter des Neuen Reichs (ca. 1570-1069 v. Chr.), eine Zeit des Wohlstands unter einer starken, zentralen Befehlsgewalt. Der Titel Pharao als Bezeichnung für den Herrscher Ägyptens stammt aus dieser Zeit; frühere Monarchen wurden schlicht Könige genannt. Viele der heute am besten bekannten ägyptischen Herrscher regierten während des Neuen Reichs, und der Großteil der großen Bauwerke der ägyptischen Architektur, wie das Ramesseum, Abu Simbel, die Tempel von Karnak und Luxor sowie die Grabmäler im Tal der Könige und im Tal der Königinnen wurden in dieser Phase errichtet oder erheblich ausgebaut.

Zwischen 1504-1492 v. Chr. konnte Pharao Thutmosis I. seine Macht und die Grenzen Ägyptens bis zum Fluss Euphrat im Norden, Syrien und Palästina im Westen und Nubien im Süden ausweiten. Seine Nachfolgerin war Königin Hatschepsut (1479-1458 v. Chr.). Sie vergrößerte die Handelsbeziehungen mit anderen Nationen, darunter Punt. Ihre 22 Jahre andauernde Herrschaft war eine Zeit des Friedens und des Wohlstands für das Alte Ägypten.

Portrait of Queen Hatshepsut
Portrait der Königin Hatschepsut
Rob Koopman (CC BY-SA)

Hatschepsuts Nachfolger, Thutmosis III., setzte ihren politischen Kurs fort (auch wenn er viel daransetzte, die Erinnerung an sie auszulöschen – vermutlich um zu verhindern, dass sie anderen Frauen als Vorbild dienen konnte, weil eigentlich nur Männer für die Rolle des Herrschers geeignet galten). Zum Zeitpunkt seines Todes 1425 v. Chr. war Ägypten eine große und mächtige Nation. Reichtum und Wohlstand drückten sich unter anderem in der zunehmenden Vielfalt von gebrauten Biersorten aus, und in der zunehmenden Freizeit, die für sportliche Aktivitäten genutzt wurde. Fortschritte in der Medizin führten zu einer Verbesserung der allgemeinen Gesundheit.

Tägliche Bäder war schon lange ein wichtiger Bestandteil im Leben der Ägypter, betont durch die Religion und vorgelebt durch die Priesterschaft. Jetzt entwickelte sich eine immer ausgefallenere Badekultur, die wahrscheinlich nicht nur der persönlichen Hygiene diente, sondern vor allem auch dem Vergnügen. Um ca. 1800 v. Chr. wurde der Gynäkologische Papyrus von Kahun verfasst. Er enthielt Informationen zu Frauenkrankheiten und Verhütung und fand bei den Ärzten der Zeit allem Anschein nach eine umfassende Verwendung. Chirurgie und Zahnmedizin waren weit verbreitet und wurden mit großem Geschick ausgeführt, und Bier wurde zur Linderung der Symptome von nicht weniger als 200 verschiedenen Krankheiten verschrieben.

Kahun Gynaecological Papyrus
Gynäkologischer Papyrus von Kahun
Francis Llewellyn Griffith (Public Domain)

1353 v. Chr. bestiegt Pharao Amenophis IV. den Thron und änderte kurz darauf seinen Namen zu Echnaton („lebender Geist des Aton“), um seinen Glauben an einen einzigen Gott zum Ausdruck zu bringen: Aton. Die alten Ägypter glaubten traditionell an viele Götter, die jeden Aspekt ihres täglichen Lebens beeinflussten. Zu den beliebtesten Gottheiten zählten Amun, Osiris, Isis und Hathor. Der Kult des Amun war zu diesem Zeitpunkt zu einer so reichen und mächtigen Organisation herangewachsen, dass der Einfluss seiner Priester dem des Pharaos Konkurrenz machte. Echnaton und seine Frau Nofretete distanzierten sich von diesen traditionellen religiösen Vorstellungen und Praktiken, und gründeten stattdessen eine neue Religion, in deren Zentrum die Anbetung eines einzigen Gottes stand.

Echnaton war der erste Herrscher, der auch zu Ehren seiner Frau Bildhauerkunst und Tempel errichten ließ, statt nur für sich selbst oder für die Götter.

Die religiösen Reformen Echnatons waren sehr wirksam darin, die Macht der Amun-Priester zu beschränken und stattdessen in seine Hände zu legen. Er verlegte die Hauptstadt von Theben nach Amarna, um sich weiter von seinen Vorgängern zu distanzieren. Diese Phase wird in der Ägyptologie deshalb Amarna-Zeit genannt (1353-1336 v. Chr.). Die neue Hauptstadt wuchs und polytheistische Religionsriten wurden verboten.

Neben seinen anderen Errungenschaften war Echnaton der erste ägyptische Herrscher, der auch zu Ehren seiner Frau Bildhauerkunst und Tempel errichten ließ, statt nur für sich selbst oder zu Ehren der Götter, und er nutzte das Geld, das einst für Tempel bestimmt gewesen war, um öffentliche Gebäude und Parks zu finanzieren. Der Einfluss der Priesterschaft zerfiel so rasch, wie Echnatons Herrschaft wuchs, was Echnatons Plänen entsprach, aber es gelang ihm nicht, seine Macht im besten Interesse seines Volkes einzusetzen. Die Amarna-Briefe machen deutlich, dass er stärker mit seinen religiösen Reformen beschäftigt war, als mit Außenpolitik oder den vielen Bedürfnissen der Bewohner seines Landes.

Auf Echnatons Herrschaft folgte sein Sohn Tutanchamun, der heute wohl berühmteste ägyptische Pharao. Er regierte von ca. 1336-1327 v. Chr. Sein ursprünglicher Name lautete Tutanchaton in Anspielung an den Glauben seines Vaters, aber nach seiner Thronbesteigung änderte er seinen Namen zu Ehren des Gottes Amun. Tutanchamun ließ die alten Tempel wiederherstellen, alle Zeugnisse von Echnatons einzigem Gott zerstören, und verlegte die Hauptstadt zurück nach Theben. Seine Herrschaft blieb kurz, weil er bereits in jungen Jahren starb. Heute ist er vor allem wegen der Pracht seines nahezu ungeplünderten Grabes bekannt, das 1922 entdeckt und zu einer internationalen Sensation wurde.

Death Mask of Tutankhamun
Totenmaske von Tutanchamun
Richard IJzermans (CC BY-NC-SA)

Der größte Herrscher des Neuen Reiches war Ramses II. (auch bekannt als Ramses der Große, 1279-1213 v. Chr.), der die aufwendigsten Bauwerke plante und so geschickt regierte, dass er auch die Mittel hatte, sie zu verwirklichen. In seine Regierungszeit fällt die berühmte Schlacht von Kadesch (1274 v. Chr.) gegen den Hethiterkönig Muwatalli II. Heutige Forscher sehen ihren Ausgang als unentschieden an, was Ramses II. aber nicht davon abhielt, sie als großen ägyptischen Erfolg zu zelebrieren und sich selbst in seinen öffentlichen Bauten als Retter seines Volkes und als Gott darzustellen.

Sein Tempel in Abu Simbel schildert die Schlacht von Kadesch, und der kleinere Tempel daneben ist – nach Echnatons Vorbild – seiner Lieblingsfrau Nefertari geweiht. Unter der Herrschaft Ramses II. wurde 1258 v. Chr. der erste Friedensvertrag der Geschichte unterzeichnet (Ägyptisch-Hethitischer Friedensvertrag), und Ägypten genoss eine Ära des Wohlstands, bezeugt durch die vielen Monumente, die Ramses II. bauen oder restaurieren ließ.

Ramses‘ vierter Sohn Chaemwaset (ca. 1281-1225 v. Chr.) setzte sich dafür ein, alte Denkmäler und Tempel zu bewahren und die Namen ihrer ursprünglichen Besitzer aufzuzeichnen und gilt deshalb als der „erste Ägyptologe“. Es ist vor allem Chaemwasets Initiative zu verdanken, dass der Name Ramses II. mit so vielen antiken Stätten in Ägypten in Verbindung gebracht wird. Er hinterließ stets eine Aufzeichnung mit seinen eigenen Restaurierungsarbeiten, den Namen der ursprünglichen Besitzer/Baumeister, und dem Namen seines Vaters.

Abu Simbel Panorama
Panorama von Abu Simbel
Dennis Jarvis (CC BY-SA)

Ramses II. war bei nachfolgenden Generationen als „der große Vorfahr“ bekannt. Er regierte so lange, dass er die meisten seiner Kinder und Frauen überlebte. Seine Untertanen wurden geboren, ohne je einen anderen Herrscher gekannt zu haben. Mit 96 Jahren lebte er ein ungewöhnlich langes Leben, mehr als doppelt so lang als der altägyptische Altersdurchschnitt. Nach seinem Tod befürchteten viele, dass das Ende der Welt bevorstand, weil sie nie einen anderen Pharao und nie ein Ägypten ohne Ramses II. erfahren hatten.

Der Niedergang Ägyptens und die Ankunft Alexanders des Großen

Einer seiner Nachfolger war Ramses III. (1186-1155 v. Chr.). Er verfolgte dieselben politischen Ziele, aber zu diesem Zeitpunkt hatte der Reichtum Ägyptens bereits die sogenannten Seevölker angelockt, die regelmäßige Überfälle an der Küste verübten. Der Ursprungsort der Seevölker ist, wie bei den Hyksos, ungeklärt, wahrscheinlich stammten sie aus der südlichen Ägäis. Zwischen 1276 und 1178 v. Chr. stellten sie eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für die ägyptische Sicherheit dar. Ramses II. hatte sie am Anfang seiner Regierungszeit in einer Seeschlacht besiegt, so auch sein Nachfolger Merenptah (1213-1203 v. Chr.). Nach Merenptahs Tod jedoch verstärkten sie ihre Anstrengungen, plünderten Kadesch, das damals unter ägyptischer Kontrolle stand, und verwüsteten die Küste. Zwischen 1180 und 1178 v. Chr. musste Ramses III. sie mehrfach zurückschlagen, bis er sie schließlich in der Schlacht von Xois 1178 v. Chr. endgültig besiegte.

Nach der Herrschaft Ramses III. versuchten seine Nachfolger, seinen politischen Kurs fortzusetzen, trafen aber immer mehr auf Widerstand unter den Einwohnern Ägyptens, in den eroberten Gebieten und vor allem von Seiten der Priesterschaft. Seit Tutanchamun die alte Ordnung mit dem Amun-Kult wiederhergestellt hatte, und besonders während der Blütephase unter Ramses II., hatten die Priester des Amun große Ländereien und Reichtümer gesammelt, was nun die zentrale Befehlsgewalt und die Einheit Ägyptens bedrohte. Am Ende der 20. Dynastie unter Ramses XI. (1107-1077 v. Chr.) war die ägyptische Regierung von der Macht und Korruption der Priesterschaft so geschwächt worden, dass die zentrale Administration zusammenbrach und das Land erneut zerfiel. Dies war die Dritte Zwischenzeit (1069-525 v. Chr.).

Map of the Third Intermediate Period
Karte der Dritten Zwischenzeit
Jeff Dahl (CC BY-SA)

Unter dem kuschitischen König Piye (752-722 v. Chr.) wurde Ägypten wiedervereint und die Kultur blühte wieder auf, aber 671 v. Chr. fielen die Assyrer unter König Asarhaddon in Ägypten ein und vervollständigten die Eroberung 666 v. Chr. unter seinem Nachfolger Assurbanipal. Die Assyrer hatten keine Pläne zur langfristigen Kontrolle des Landes, stattdessen übergaben sie die zerstörten Gebiete an lokale Herrscher und überließen Ägypten seinem Schicksal. Das Land wurde wieder aufgebaut und neu befestigt. So fand es der Perserkönig Kambyses II. vor, als er 525 v. Chr. die Schlacht bei Pelusium im Nildelta schlug. Kambyses II. wusste, dass die Ägypter Katzen verehrten (die in ihren Augen Stellvertreter der beliebten Göttin Bastet waren) und wies seine Männer deshalb an, Katzen auf ihre Schilde zu malen und Katzen und andere Tiere, die den Ägyptern heilig waren, vor der Armee in Richtung Pelusium zu treiben. Die ägyptischen Streitmächte ergaben sich und das Land fiel an die Perser. Es würde bis zur Ankunft Alexanders des Großen 332 v. Chr. unter persischer Herrschaft bleiben.

Alexander wurde als Befreier willkommen geheißen und konnte Ägypten ohne Widerstand erobern. Er gründete die Stadt Alexandria und zog weiter, um Phönizien und den Rest des Perserreichs zu unterwerfen. Nach seinem Tod 323 v. Chr. brachte sein General Ptolemaios I. Soter seinen Leichnam zurück nach Alexandria und begründete die Dynastie der Ptolemäer. Die letzte Königin der Ptolemäer war Kleopatra VII., die 30 v. Chr. Selbstmord beging, nachdem ihre Streitkräfte (und die ihres Geliebten Marcus Antonius) von Octavian, dem späteren Kaiser Augustus, in der Schlacht bei Actium 31 v. Chr. geschlagen wurden. Nach dieser Niederlage wurde Ägypten zu einer römischen Provinz (30 v. Chr. bis 476 n. Chr.), dann zu einer byzantinischen Provinz (ca. 527-646 n. Chr.), bis es schließlich 646 n. Chr. von den Muslimen unter Kalif Umar erobert wurde und unter islamische Herrschaft geriet.

Artist's Depiction of an Excavation in Egypt
Künstlerische Darstellung einer Ausgrabung in Ägypten
Mohawk Games (Copyright)

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Ägyptens glorreiche Vergangenheit wiederentdeckt und hatte seitdem einen nicht unerheblichen Einfluss auf das heutige Verständnis von antiker Geschichte und der Welt. Der Historiker Will Durant drückt sich dazu folgendermaßen aus:

Das, was Ägypten zu Anbeginn der Geschichte geschafft hat, blieb nicht ohne Wirkung, es beeinflusste jede Nation und jedes Zeitalter. „Es ist sogar möglich“, wie Faure sagte, „dass Ägypten durch die Solidarität, die Einheit und die geregelte Vielfalt seiner künstlerischen Produktion, durch die lange Dauer und die anhaltende Kraft seiner Bestrebungen die größte Zivilisation darstellt, die je auf Erden gesehen wurde.“ Wir täten gut daran, es ihnen gleichzutun. (217)

Die ägyptische Kultur und Geschichte haben schon lange eine besondere Faszination auf die Menschheit ausgeübt, sei es durch die Arbeit früher Archäologen im 19. Jahrhundert (wie Champollion, der 1822 den Stein von Rosetta entzifferte) oder die berühmte Entdeckung des Grabs des Tutanchamuns durch Howard Carter 1922. Der altägyptische Glaube an ein Leben als ewige Reise, geschaffen und bewahrt durch göttliche Magie, hat viele spätere Kulturen und Religionen inspiriert. Ein großer Teil der ägyptischen Ikonographie und des ägyptischen Glaubens fand den Weg in die neue Religion des Christentums, viele Symbole lassen sich heute wiedererkennen und haben meist dieselbe Bedeutung. Es ist bezeichnend für die Leistung der ägyptischen Zivilisation, dass sie bis heute zahllose Filme, Bücher, Gemälde und sogar religiösen Glauben inspiriert, durch ihre tiefgründige und erhabene Sicht auf das Universum und den menschlichen Platz darin.

Fragen und Antworten

Woher stammt der Name Ägypten?

„Ägypten“ stammt von dem griechischen Namen „Aegyptos“, das war die griechische Aussprache des ägyptischen Namens für die Stadt Memphis.

Wie alt ist die ägyptische Kultur?

Die ägyptische Kultur reicht bis ca. 6000 v. Chr. in die Zeit der Prädynastik zurück, aber das Land war schon früher besiedelt worden und hatte schon einen gewissen Grad an Zivilisation erreicht.

Ist Ägypten ein afrikanisches Land?

Ägypten liegt in Nordafrika und wird deshalb zu den afrikanischen Ländern gezählt.

Wer hat die Pyramiden errichtet?

Die Pyramiden wurden von geschulten und ungeschulten ägyptischen Arbeitern errichtet. Sie wurden für ihre Arbeit bezahlt oder leisteten sie als gemeinnützigen Dienst am König. Die Pyramiden wurden nicht durch Sklavenarbeit errichtet.

Übersetzer

Elisa Wasserer
Elisa studiert Geschichte und Archäologie und versucht, bei ihrer Spurensuche in der Vergangenheit das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Wenn sie nicht an Übersetzungen arbeitet, verliert sie sich wahrscheinlich gerade in einem Buch oder auf einer Wanderung durch die Berge.

Autor

Joshua J. Mark
Joshua J. Mark ist Mitbegründer der WHE und ehemaliger Professor am Marist College in New York, wo er Geschichte, Philosophie, Literatur und Schreiben unterrichtet hat. Er ist weitgereist und hat in Griechenland und Deutschland gelebt.

Dieses Werk Zitieren

APA Stil

Mark, J. J. (2009, September 02). Altes Ägypten [Ancient Egypt]. (E. Wasserer, Übersetzer). World History Encyclopedia. Abgerufen auf https://www.worldhistory.org/trans/de/1-74/altes-agypten/

Chicago Stil

Mark, Joshua J.. "Altes Ägypten." Übersetzt von Elisa Wasserer. World History Encyclopedia. Letzte September 02, 2009. https://www.worldhistory.org/trans/de/1-74/altes-agypten/.

MLA Stil

Mark, Joshua J.. "Altes Ägypten." Übersetzt von Elisa Wasserer. World History Encyclopedia. World History Encyclopedia, 02 Sep 2009. Internet. 02 Okt 2024.