Freigeborene römische Kinder, ingenuiae, also Kinder von römischen Bürgern, lebten ein Leben, das von der Gesellschaftsschicht bestimmt war, in die sie geboren wurden. Ein Tag im Leben eines Kindes aus den unteren Schichten unterschied sich sehr vom Tag eines Kindes aus einer wohlhabenden Familie.
Wohnräume
Im alten Rom, wie in vielen Städten, in denen der Wohnraum knapp war, wuchsen die Häuser in die Höhe, um Platz für so viele Menschen wie möglich zu schaffen. Diese dicht besiedelten Wohnblöcke, insulae genannt, beherbergten oft Läden im Erdgeschoss und wohlhabendere Bewohner in den unteren Stockwerken. In den oberen Stockwerken, wo die Wohnräume kleiner waren, lebten die ärmeren Familien. Diese Wohnungen waren eng, oft dunkel und kalt, hatten kein fließendes Wasser, waren mit keinem Abwassersystem verbunden und mussten sich manchmal eine einzige Küche teilen. Der Satiriker Juvenal (ca. 55–138 n. Chr.) schrieb, dass in der Stadt der Schlaf nur zu den Reichen kam (Sat. 3.236). Nur sie konnte sich die Privatsphäre und den Komfort einer größeren Wohnung oder sogar eines freistehenden Hauses (domus) am Stadtrand leisten.
Alle Römer begannen ihren Tag mit dem Sonnenaufgang oder der ersten Stunde. Das römische Kind, das mit seiner Familie in der Stadt lebte, wurde wahrscheinlich durch den Lärm der anschwellenden Menschenmenge geweckt. In seiner dritten Satire beschreibt Juvenal die überfüllte Stadt, wo Reiche in Sänften über den Köpfen der Menge getragen wurden und mit Holz und Marmor vollbeladene Wagen, gefährlich von einer Seite zur anderen schwankend, ihren Weg durch das Gedränge suchten. Der Dichter Martial (ca. 38–103 n. Chr.) beklagte sich ebenso über den ständig herrschenden Lärm in der Stadt.
Die Kinder und ihre Familien machten sich für den bevorstehenden Tag fertig und begannen ihn vielleicht mit einem Frühstück, dem lentaculum. Die Römer frühstückten nicht zwangsläufig, aber wenn sie es taten, bekam ein armes Kind wahrscheinlich gekochten Weizen oder Brot. Alle Gesellschaftsschichten kauften Essen von Straßenverkäufern und Straßenküchen, aber Familien mit niedrigerem Einkommen machten von dem Angebot besonders häufig Gebrauch.
Das Arbeiterkind
Das Leben von Arbeiterfamilien konnte hart sein: Löhne waren niedrig und manchmal waren ihre Arbeitsstellen zeitlich begrenzt. In diesen Familien wurde erwartet, dass die Kinder schon früh in das Berufsleben einstiegen. Die Kindheit war kurz und viele Kinder mussten arbeiten, weil ihr zusätzliches Einkommen für ihre Familie lebensnotwendig war. Nur wenige ärmere Kinder hatten Zugang zu Bildung, aber manche hatten das Glück, dass ihre Eltern sie für kurze Zeit in eine Schule schicken konnten, um die nötigen Fähigkeiten für eine Anstellung zu lernen. In Petronius‘ Satyricon (geschrieben im ersten Jahrhundert n. Chr.) beschrieb einer seiner Gäste seine Ausbildung als praktisch und nützlich. Die meisten armen Kinder jedoch lernten nie lesen und schreiben.
Kinder konnten in allen möglichen Bereichen arbeiten. Sie waren zum Beispiel auf der Straße tätig, wo sie Früchte oder Blumen verkauften. Manche Jungen folgten dem Beruf ihres Vaters: auf dem Grabstein seines Kindes beschrieb ein Spiegelmacher der Legio XIIII in Carnuntum, dass sein zehnjähriger Sohn während seiner Ausbildung zum Spiegelmacher gestorben war. Er gedachte auch dem Tod seiner fünfjährigen Tochter, die ebenfalls begonnen hatte, ihre Eltern zu unterstützen (ILS 9094). Familien, die außerhalb der Stadt auf ihren Bauernhöfen arbeiteten, bezogen ihre Kinder in die Arbeit mit ein. Die Kinder erhielten Aufgaben, die ihrem Alter entsprachen, viele begannen mit dem Sammeln von Früchten, dem Jäten von Unkraut und dem Halten von Vögeln.
Manche Eltern schickten ihre Kinder auch in eine Lehre, weil sie damit später besser verdienen konnten als mit einer einfachen Arbeit. Lehrverträge begannen im Alter von zwölf Jahren und konnten zwischen sechs Monaten und sechs Jahren dauern. Jungen, die eine Handwerkerlehre machten, wurden zum Beispiel zu Webern, Steinmetzen oder Kupferschmieden ausgebildet. Der Junge C. Vettius Capitolinus hatte laut seinem Grabstein das Sticken gelernt, bevor er mit nur 13 Jahren starb (CIL. VI.6182). Es gibt auch Hinweise, dass auch Mädchen bestimmte Lehrberufe erlernten, wie Goldschmied oder Friseuse: die neunjähre Viccentia etwa hatte vor ihrem frühen Tod als Goldspinnerin gearbeitet (CIL. VI.9213). Im Großen und Ganzen aber arbeiteten Mädchen vor allem im Haushalt oder im Verkauf.
Kinder mussten auch in sehr anstrengenden und gefährlichen Berufen wie dem Bergbau arbeiten, wo sie wegen ihrer geringen Größe für bestimmte Aufgaben gebraucht wurden. Manche Schächte und Stollen in römischen Minen waren so niedrig und eng, dass nur Kinder dort Platz finden konnten. Ausgestattet mit kleinen Werkzeugen stiegen sie in diese Schächte hinab, um Steine zu sammeln und an die Oberfläche zu bringen. Im Museo Arqueologico Nacional in Madrid zeigt der Grabstein von Quartulus das Bild eines möglichen Kinder-Bergarbeiters. Quartulus ist barfuß und wird mit einer kurzen, losen Tunika dargestellt, er trägt eine Spitzhacke und einen Korb (CIL. II. 3258).
Forschungen zu Unfällen im Kindesalter deuten darauf hin, dass manche dieser Unfälle Arbeitsunfälle waren. Ein kleiner Junge wurde niedergetreten, während er die Kühe fütterte, und ein dreijähriges Kind wurde unter Pfosten begraben, als es seinen Eltern half. Die Überreste von Kinderskeletten in antiken Friedhöfen zeigen oft Spuren schwerer körperlicher Arbeit. Kinderknochen, die aus einem Friedhof nahe einer antiken Wäscherei vor den Toren Roms stammten, wiesen Abnutzungen von den Jahren harter Arbeit in der Stoffverarbeitung auf.
Bildung
Die Kinder von besserverdienenden Familien lebten in größeren Wohnungen in der Stadt, die Kinder der ganz Wohlhabenden in schönen Häusern, wo neben der Familie oft auch andere Verwandte und die Haussklaven wohnten. Von diesen Kindern wurde erwartet, dass sie eine Ausbildung für einen Posten in der Oberschicht absolvierten. Formale Bildung begann normalerweise mit sieben Jahren.
Manche Eltern beschäftigten einen Privatlehrer, oder das Kind wurde zur Schule geschickt. Jungen erhielten eine klassische römische Ausbildung: Plinius der Jüngere (61–112 n. Chr.) beschrieb sie als eine Kombination aus strenger Schulung, guten Manieren und moralischen Standards (Ep. 3.3.3). Römische Mädchen bekamen manchmal auch eine gewisse formale Bildung, wurden aber in erster Linie darauf vorbereitet, die Rolle einer Dame der höheren Gesellschaft einzunehmen, zu heiraten und schon früh selbst Kinder zu bekommen. Kinder, die außerhalb ihres Hauses unterrichtet wurden, wurden auf ihrem Schulweg von ihrem peadagogus begleitet, dessen Aufgabe es war, auf sie Acht zu geben, wann immer sie das Haus verließen. Manchmal war auch ein Sklave dabei, der die Schulbücher trug. Jüngere Kinder verbrachten den Vormittag in der Schule und kamen zum Mittagessen nach Hause, ältere Kinder hatten auch am Nachmittag Unterricht. Ein typisches Mittagessen für ein Schulkind bestand zum Beispiel aus Brot, Käse, Oliven, Feigen und Nüssen.
Freizeitaktivitäten
Wir können uns vorstellen, dass die Kinder, die von der Schule nach Hause kamen, ihre Freizeit gern mit einem Haustier verbrachten. Plinius der Jüngere erwähnt ein Kind, dem viele Haustiere gehörten (Ep. 4.2) und Libanius, Redner und Lehrer (314–393 n. Chr.), erinnert sich, wie er als Kind Tauben gezüchtet hat (Or. 1.4-5). Vieles deutet aber darauf hin, dass ein Kind, das ein Haustier besaß, sehr privilegiert war.
Der freie Nachmittag konnte von einem Jungen und seinem Vater dazu genutzt werden, Zeit miteinander zu verbringen, und es war eine sehr beliebte Tageszeit, um die öffentlichen Bäder zu besuchen. Die römischen Bäder waren für jeden zugänglich. Viele Städte hatten mehr als einen Badekomplex und die staatlichen Bäder (thermae) boten mehr Freizeitbeschäftigungen an als die privaten Bäder (balnae). Dazu gehörten Ballspiele, Schwimmen und andere Sportarten. Nach den Anstrengungen konnte man sich in den öffentlichen Bädern mit Getränken und Gebäck stärken.
Alle Kinder spielen, ganz egal, welcher Gesellschaftsschicht sie angehören, und hier finden wir die Gemeinsamkeiten im Leben der römischen Kinder. Die Arbeiterkinder spielten, wann immer sie die Zeit dazu finden konnten. Ihr Spielplatz war die Straße. Die Kinder der reicheren Familien hatten mehr Freizeit zur Verfügung. Sie spielten vielleicht Soldaten oder spielten die Rennen ihrer Lieblingswagenlenker nach, und manche von ihnen konnten es sich sogar leisten, die Farben ihres Lieblingsteams zu tragen (Juv. Sat. 5.143-4). Zu den Spielen und Spielzeugen, die bei allen Kindern beliebt waren, gehörte das Knöchelchenspiel, ein Geschicklichkeits- und Würfelspiel, das in abgewandelten Formen auch heute noch in vielen Teilen der Welt gespielt wird. Die Knöchelchen stammten oft von Schafen oder Schweinen, konnten aber auch aus kostbareren Materialen wie Elfenbein, Stein, Glas oder Marmor gefertigt sein.
Puppen waren aus Ton, Holz oder Elfenbein gemacht und gehörten ebenso zur Spielzeugsammlung des antiken Roms wie Bälle, die oft aus mit Federn oder Luft gefüllten Häuten bestanden. Kreisel und Reifen, an denen kleine Ringe befestigt waren, die ein klingelndes Geräusch machten, wurden von vielen Kindern mit Vorliebe durch die Straßen getrieben.
Am Ende des Tages
Die Hauptmahlzeit des Tages war das Abendessen (cena). Das Kind einer ärmeren Familie bekam dann gekochten Weizen, Brot, Bohnen und Lauch zu essen. Wohlhabendere Familien hatten eine größere Auswahl auf dem Tisch stehen, darunter auch Früchte, Käse, Eier, Gemüse, Fisch und Fleisch. Wenn der Tag zu Ende ging, bereiteten sich die römischen Kinder und ihre Familien darauf vor, schlafen zu gehen. Schüsseln und Wasserkrügen wurden zum Waschen genutzt, Nachttöpfe wurden bereitgestellt, die Feuer, die im Haus für Licht und Wärme sorgten, wurden gelöscht, und die Türen und Fensterläden fest verschlossen.