Hafis Shiraz

Definition

Joshua J. Mark
von , übersetzt von Maximilian Beindorff
Veröffentlicht am 26 Mai 2020
In anderen Sprachen verfügbar: Englisch, Französisch, Spanisch
Diesen Artikel anhören
X
Artikel drucken
Hafez Shiraz (by Abolhassan Sadighi, CC BY-SA)
Hafez Schiraz
Abolhassan Sadighi (CC BY-SA)

Hafis Shiraz (auch als Hafiz oder Hafez, 1315-1390 n. Chr.) gilt als der größte der persischen Dichter und als einer der berühmtesten und am meisten bewunderten Schriftsteller der Weltliteratur. Sein vollständiger Name ist Khwaja Shams-ud-Din Muhammed Hafez-e Shiraz, aber er war als Hafez (was „jener, der den Koran auswendig kann“ bedeutet) bekannt, weil er den Koran in jungen Jahren auswendig lernte und später die Werke anderer persischer Dichter wie Sanai (1080 - c. 1131 n. Chr.), Attar (1145 - c. 1220 n. Chr.), Rumi (1207-1273 n. Chr.), Saadi (1210 - c. 1291 n. Chr.) und Nizami (1141-1209 n. Chr.), die alle seine eigene Arbeit beeinflussen würden, auswendig lernte.

Über sein persönliches Leben ist wenig bekannt, außer dass er in Shiraz (im heutigen Iran) geboren wurde und seine Eltern aus Fars stammten. Er war gut ausgebildet und hatte höchstwahrscheinlich Verbindungen zum herrschenden Haus, da er sein Leben als Hofdichter der Monarchen der Region verbrachte. Er war ein schiitischer Muslim und ein Anhänger der mystischen Herangehensweise an den Islam, die als Sufismus bekannt ist und seine Gedichte zusammen mit der Koranliteratur, der persischen Legende und dem Mythos aus dem Shahnameh und verschiedenen anderen Quellen, enthält. Im Gegensatz zu anderen Dichtern (wie Rumi) gibt es keine endgültige Sammlung seiner Werke. Sein Diwan (eine Sammlung kurzer Stücke) wurde von anderen zusammengestellt, aber die Gelehrten sind sich nicht einig, wann oder sogar von wem.

Hafis wurde der beliebteste und angesehenste Dichter seiner Zeit, und sein Ruf, durchdringende mystische Einsichten mit einer unvergleichliche Komposition zu kombienieren, ist bis heute erhalten.

Die Gedichte des Hafis konzentrieren sich auf die transzendente Kraft der Liebe und dessen transformativen Wirkungen, sich für alle Erfahrungen zu öffnen, indem sie verstehen, was es bedeutet, ein Mensch im vollsten Sinne zu sein, was für Hafis eine innige Beziehung zu Gott beinhaltet. Seine Arbeit wird von vielen Gelehrten als antinomisch beschrieben, was eine Ablehnung von Regeln, Vorschriften und Auflagen bedeutet. Dies ist eine treffliche Beschreibung, da Hafis das Leben als zu groß ansah, um von kleinen Etiketten und engen Geboten eingeschlossen und diktiert zu werden. Seine vielen Anspielungen auf Wein, Trunkenheit, Tavernen und die Abkehr vom sinnlichen Verlangen zeugen davon, obwohl viele Gelehrte festgestellt haben, auf vielen Ebenen gelesen werden können und diese Anspielungen auch als allegorische Hinweise auf die Erfahrung der göttlichen Liebe verstanden werden können.

Hafis wurde der beliebteste und angesehenste Dichter seiner Zeit, und sein Ruf, durchdringende mystische Einsichten mit einer unvergleichlichen Komposition zu kombienieren, ist bis heute erhalten. Sein Mausoleum in Shiras, umgeben von Gärten und kleinen Wasserfällen, zieht Bewunderer aus der ganzen Welt an, die nicht nur weiterhin auf seine schriftlichen Arbeiten reagieren, sondern in ihrem täglichen Leben eine mystische Verbindung mit dem Dichter beanspruchen.

Frühes Leben & Einflüsse

Hafis wurde in Shiras als Sohn schiitischer muslimischer Eltern geboren, über die nichts weiteres bekannt ist. Sein Vater war möglicherweise ein Imam (ein schiitischer muslimischer religiöser Führer), da Hafis den Koran auswendig gelernt haben soll, indem er seinem Vater zuhörte, wie er ihn wiederholt rezitierte, eine der Aufgaben eines Imams. Shiras war ein kosmopolitisches und gehobenes Kulturzentrum, das vom berühmten Reiseschriftsteller Ibn Battuta (1304-1368 / 69 n. Chr.) für seine Schönheit und inspirierende Kraft gelobt wurde, die künstlerische, intellektuelle und religiöse Entwicklungen förderte. Der Gelehrte Leonard Lewisohn kommentiert:

Diese Stadt der Heiligen und Dichter… war besonders berühmt für ihre Colleges und Seminare, ihre Sufi-Zentren und Moscheen, von denen viele große begleitende Gärten hatten und Grundstücke besaßen, die durch wohltätige Nachlässe an ihr Gelände gebunden waren. Die Anwesenheit dieser Institutionen ... verlieh der Stadt ein eigenartiges heiliges Ambiente in der Vorstellung des Volkes." (3)

Die Ära, in der Hafis lebte, war eine turbulente Zeit im Iran. Die Mongolen waren hundert Jahre vor Hafis Geburt in die Region eingedrungen. Diese hatten dynastische Häuser errichtet, die nicht immer beliebt waren, und es gab Konflikte zwischen verschiedenen herrschenden Häusern - oder innerhalb dieser -. Der Sufismus mit seiner Betonung der individuellen Befreiung unabhängig von äußeren Umständen hätte in einer solchen Zeit große Anziehungskraft gehabt. Der Sufismus ist keine Sekte des Islam, sondern eine mystische Erfahrung, die auf einer islamischen Weltanschauung basiert und versucht, alle wahrgenommenen künstlichen Beschränkungen zu überwinden. Die Gelehrten John Heath-Stubbs und Peter Avery kommentieren:

Die Tendenz des Sufismus ist pantheistisch. Jede menschliche Seele ist ein Teilchen des göttlichen Absoluten, und der Mystiker strebt eine vollständige Vereinigung mit dem Göttlichen an. Diese Vereinigung wird in dem Wissen erreicht, dass er selbst die ultimative Realität ist, die er sucht. Aber das individuelle Selbst wird in diesem höheren Selbst vollständig vernichtet, wie die Motte, die von der Kerzenflamme angezogen wird. Um des esoterischen Wissens willen müssen die Sufi alles aufgeben, insbesondere die legalistischen Beschränkungen der konventionellen Religion. (5)

Wie Hafis in den Sufismus eingeführt wurde, ist unbekannt, aber Shiras war zu dieser Zeit ein Sufi-Zentrum, so dass er die Konzepte ohne Anstrengung leicht hätte aufnehmen können (obwohl er später bei dem Sufi-Meister Zayn Attar, gest. 1403 n. Chr., studiert haben soll). Möglicherweise hat er in jungen Jahren als Tuchmacher gearbeitet, bevor er als Bote für eine Bäckerei angestellt wurde. Bei einer seiner Lieferungen soll er die schöne Frau der Oberschicht Shakh-e Nabat gesehen haben, und da er wusste, dass er niemals eine tatsächliche Beziehung zu ihr haben konnte, versuchte er durch Meditation eine spirituelle Vereinigung.

Sufis Dancing
Sufis tanzen
Walters Art Museum Illuminated Manuscripts (Public Domain)

Während er über seine Sehnsucht nach Liebe und einer Beziehung zu dieser Frau meditierte, soll er seine erste mystische Erfahrung in Form eines Lichtwesens gemacht haben, das normalerweise als Engel interpretiert wird. Dieses Wesen ermutigte Hafis, um eine dauerhafte Beziehung zu Gott zu suchen. Obwohl es keine unmittelbare Fortsetzung dieser Erfahrung gibt, wird angenommen, dass Hafis seine Meditationen über das Göttliche fortsetzte und das, was er dabei erfahr, schließlich seine Poesie beeinflussen würde.

Hafis der Hofdichter

Der Sufismus war jedoch nicht der einzige große Einfluss auf das Werk des Hafis sein, da er auch durch seine Position als Hofdichter geprägt wurde. Zuerst diente er unter der Inju-Dynastie (1335-1357 n. Chr.) und dann unter der Muzaffariden-Dynastie (1314 - ca. 1393 n. Chr.). Die Inju-Dynastie gehörte zu den von den Mongolen gegründeten und Hafis hat möglicherweise zuerst als Hofdichter unter Saraf-al-Din-Mahmud c. 1339 n.Chr. für das herrschende Haus gearbeitet. Zur Zeit der Regierungszeit von Jamal al-Din Abu Ishaq (ca. 1343-1357 n. Chr.), für den er eine Reihe von Versen schrieb, war er definitiv ein bedeutender Dichter geworden.

Der Hofdichter galt als wesentliches Element für die Funktion der Regierung als Berater und Vertrauter sowie als Musiker, Komponist und Allround-Entertainer. Das ultimative Ziel des Dichters war es, den Monarchen durch Verse zu verewigen, und dies wurde im Laufe der Zeit durch Gedichte erreicht, in denen der König für verschiedene Aspekte seiner Regierungszeit, seiner Barmherzigkeit, Frömmigkeit, militärischen Stärke oder körperlichen Schönheit gepriesen wurde. Der Gelehrte Sassan Tabatabai kommentiert:

Traditionell war der Hofdichter, dessen Funktion weit über die eines bloßen Entertainers hinausging, ein wesentlicher Bestandteil des persischen Hofes. Ardashir Babakan, der Gründer der sassanianischen Dynastie im dritten Jahrhundert, betrachtete den Dichter als "Teil der Regierung und als Mittel zur Stärkung der Herrschaft". (3)

Anthology of Persian Poetry
Anthologie persischer Poesie
Metropolitan Museum of Art (Copyright)

Der Hofdichter sollte unzeitgemäß komponieren können und sich auf einem Musikinstrument begleiten. Ein Vers oder ein Couplet würde rezitiert und der Dichter würde dann ein kurzes musikalisches Zwischenspiel spielen (angeblich währenddessen er den nächsten Vers komponierte) und dann fortfahren. Diese Gedichte lobten den König, der oft in Begriffen und Bildern angesprochen und beschrieben wurde, die sowohl für das Göttliche als auch für einen geliebten Menschen gelten. Heath-Stubbs und Avery schreiben:

Die Aufzählung der Reize des Geliebten und die Beschwerden über seine Grausamkeit, die auch die göttliche Schönheit oder den Kummer der Seele über die Trennung von ihr beschrieben, sind ferner als Kompliment an die Pracht eines fürstlichen Gönners oder als respektvolle Vorwürfe an ihn für seine Verspätung der Belohnung der Dienste seines Dichters zu verstehen… Es muss daran erinnert werden, dass die Fürsten, die zusammen mit ihren Ministern Gegenstand von Hafis Versen waren, absolute Herrscher waren. Sie konnten in gewisser Weise behaupten, Gottes Vize-Regenten auf Erden zu sein, und die Pracht ihrer eigenen Höfe war ein Bild der Herrlichkeit, die in der Höhe ist. (10)

Um 1357/1358 n. Chr. fielen die Inju und die Herrschaft der Muzaffariden unter Mubariz al-Din Mohammaed begann. Die Grausamkeit des Vaters war ein Dorn im Auge der Bevölkerung und bewegte seinen Sohn Shah Shuja Mozzaffarir (reg. 1358-1384 n. Chr.) sienen Vater zu stürzen, zu blenden und einzusperren. Hafis wurde wieder als Hofdichter unter Shah Shuja ernannt, für den er die meisten Verse schreiben würde, die heute als Ansprache an Gott interpretiert werden.

Die Religion der Liebe & Hafis Werke

Diese Gedichte tragen mit ihrem hochfliegenden Lob des Geliebten und seiner Gnaden dazu bei, was moderne Gelehrte oft als die Religion der Liebe bezeichnen, die Hafis angenommen und gepredigt hat. Die Religion der Liebe kennt keine Regeln und folgt keinen Richtlinien außer den Vorschriften des Herzens. Gedicht 38, übersetzt von Gertrude Bell, lautet zum Teil:

Ich weiche nicht dem Verlangen bis das Verlangen

befriedigt ist; oder lass meinen Mund erreichen

Den roten Mund meiner Liebe, oder lass meine Seele ablaufen,

Seufztend von den Lippen, die vergeblich nach ihren Lippen suchten.

Andere mögen eine andere Liebe als gerecht empfinden;

Auf ihre Schwelle habe ich meinen Kopf gelegt,

Der Staub soll mich bedecken, immer noch da liegend,

Wenn aus meinem Körper Leben und Liebe geflohen sind ...

Wenn ich tot bin, öffne mein Grab und sieh

Die Rauchwolke, die sich um deine Füße erhebt;

In meinem toten Herzen brennt immer noch das Feuer für dich;

Ja, der Rauch steigt von meinem Leichentuch auf!

Ah, komm, Geliebte! Die Wiesen warten auf

Dein Kommen, und der Dorn trägt Blumen

statt Dornen, Zypressenfrüchten und trostlose

nackte Winter, vor deinen Schritte geflohen sind. (Die Poesie von Hafiz von Shiraz, 5)

Dieses Gedicht wird, wie viele andere, heute oft als „Liebesgedicht“ interpretiert, in dem ein Liebhaber seine sterbliche Geliebte anspricht. Doch wie Heath-Stubbs und Avery hervorheben: „Fast jedes Gedicht von Hafez kann tatsächlich auf mindestens drei unterschiedlichen Signifikanzstufen gelesen werden“(9). Der Sprecher in dieser Übersetzung spricht eine Frau an, könnte aber im Original mit dem Schutzpatron des Dichters, einem jungen Mann oder Gott sprechen. Erotische Symbolik wird häufig verwendet, um spirituelles Verlangen auszudrücken, so wie Hafis Gebrauch des Weinbildes oder der Erfahrung von Trunkenheit für die berauschende Natur der Beziehung zu Gott steht. Heath-Stubbs und Avery schreiben:

Die Bilder von Hafez 'Gedichten sind auf die universellen Erfahrungen des Mystikers anwendbar. Der Geliebte wird zum göttlichen Liebhaber; die Trennung von Ihm in ihren verschiedenen Graden ist die Dunkle Nacht der Seele, die Vereinigung mit Ihm, die ekstatische Absorption des Mystikers im Absoluten. (9)

Gleichzeitig kann das Gedicht wörtlich als Ausdruck romantischer Liebe und sexuellen Verlangens verstanden werden. Die persische Poesie richtete sich häufig an junge Männer, zumindest oberflächlich, als Verkörperung göttlicher Schönheit, da junge Männer weitaus häufiger am Hof ​​angetroffen wurden als Frauen, die nach islamischer Tradition gesondert am Hof lebten. Obwohl Wissenschaftler die Verse verschiedener persischer Dichter nach homoerotischen Grundsätzen interpretiert haben, werden die Werke besser als Ausdruck dessen verstanden, was Platon die „Form der Schönheit“ nennen würde - ein göttliches Absolut, das sich in etwas oder jemandem auf der physischen Ebene widerspiegelt. Ein Liebesgedicht eines Mannes an einen Mann bedeutet daher nicht unbedingt eine romantische oder sexuelle Anziehung des einen für das andere. Der Dichter erkennt einfach die Natur der Schönheit in einer physischen Form; die jeweilige Form ist nicht wichtig.

Tomb of Hafez
Grab von Hafez
Sasha India (CC BY)

Ebenso unwichtig wären alle von Menschen erfundenen Regeln und Vorschriften, die das Streben nach göttlicher Schönheit, Liebe und spiritueller Erfüllung behindern. Hafis drückt seine Abneigung gegen religiöse Heuchelei und Dogma in seinem Gedicht 31 aus, übersetzt von Elizabeth Gray:

Prediger, die ihre Frömmigkeit im Gebet und auf der Kanzel zeigen

benehmen sich anders, wenn sie alleine sind.

Es verwirrt mich. Fragen Sie die Gelehrten der Versammlung:

"Warum tun diejenigen, die Reue fordern, so wenig davon?"

Es ist, als ob sie nicht an den Tag des Gerichts glauben

Bei all dem Betrug und der Fälschung tun sie dies in seinem Namen.

Ich bin der Sklave des Wirtshausmeisters, dessen Derwische,

Indem Sie nichts brauchen, lassen Sie den Schatz wie Staub erscheinen.

O Herr, lege diese nouveaux-riches wieder auf ihre Ärsche

weil sie ihre Maultiere und türkischen Sklaven zur Schau stellen.

O Engel, lobe an der Tür der Taverne der Liebe.

denn im Inneren gären sie die Essenz Adams.

Wann immer seine grenzenlose Schönheit einen Liebhaber tötet

Entspringen weitere aus der Liebe der unsichtbaren Welt.

O Bettler an der Klostertür, komm zum Kloster der Heiligen Drei Könige,

denn das Wasser, das sie geben, macht die Herzen reich.

Leere dein Haus, o Herz, damit es die Heimat des Geliebten wird.

denn das Herz der oberflächlichen ist ein Armeelager.

Im Morgengrauen kam ein Lärm vom Thron des Himmels.

Die Vernunft sagte: "Es scheint, dass die Engel die verse des Hafis auswendig lernen."

(Die Poesie von Hafis Shiras, 7)

Dieses Gedicht kann auch auf mehreren Ebenen gelesen werden. Im wahrsten Sinne des Wortes ist es eine Anklage gegen religiöse Heuchelei und ein Aufruf, die Beschränkungen der vom Menschen geschaffenen Religion für die Freiheit der Erfahrung in der Taverne und die Erforschung der Wünsche des eigenen Herzens aufzugeben. Das Bild des „Klosters der Könige“ ist ein Hinweis auf einen umgangssprachlichen Ausdruck aus dieser Zeit, in der „ Mager“ oder „Magier“ Weinverkäufer oder Alkohollieferant waren. Da der Verkauf und Konsum von Alkohol vom Islam verboten war, konnten nur Juden und Christen Wein verkaufen oder Tavernen betreiben. Die Magier waren die Priesterklasse der vorislamischen persischen Religion des Zoroastrismus, die im Rahmen der spirituellen Erfahrung Rauschmittel ermutigte, und so waren Weinverkäufer zur Zeit von Hafis „Ehrenmagier“ und eine Taverne ein „Magier-Tempel“ oder ein „Kloster“.

Auf einer anderen Ebene drückt das Gedicht jedoch das Herz des Sufismus aus, in dem der „Wirtshausmeister“ Gott ist, der diejenigen, die ihn lieben, ermutigt, die Heuchelei und den Betrug der Mainstream-Geistlichen zu ignorieren, um durch ihre eigenen Bemühungen eine ehrliche Beziehung zum Göttlichen zu suchen. In beiden Lesungen gratuliert sich der Dichter zu seinen Ansichten, indem er behauptet, dass sogar die Engel seine Gedichte gutheißen und auswendig lernen, so wie er einst den Koran auswendig gelernt hat.

Moderne Verehrung & Interpretation

Die Werke des Hafis verlieren wie die eines Dichters etwas Wichtiges in der Übersetzung, aber in seinem Fall ist der Verlust insofern bedeutender, als das ursprüngliche Persische so nuanciert ist und ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann. Seine Gedichte im Original könnten von jedem, der sie nach eigenem Glauben rezitiert oder gehört hat, ganz anders interpretiert werden. Diese Interpretationsfreiheit trug zu seinem Status als beliebtester Dichter seiner Zeit bei. Es ist ein Beweis für seine Popularität und seine Wortgewandheit, dass sogar der rücksichtslose Eroberer Timur (besser bekannt als Tamerlane, reg. 1370-1405 n. Chr.) Hafis las und den Dichter sogar für eine seiner Zeilen zurechtwies. Der Geschichte zufolge reagierte Hafis so geschickt auf diese Kritik, dass Timur ihn gut belohnte. Obwohl Hafis die Eroberung von Timur im Jahr 1387 n. Chr., die wahllosen Massaker und die Einnahme von Shiraz stark ablehnte und die beiden Männer nichts gemeinsam hatten, konnte selbst Timur in den Werken des Hafis etwas finden, auf das er reagieren konnte.

Auch in der heutigen Zeit resoniert das Werk des Hafis mit Lesern auf der ganzen Welt, und er bleibt ein Bestseller-Dichter. Viele der sogenannten „Übersetzungen“ seiner heutigen Arbeit sind überhaupt keine Übersetzungen, sondern die „Chanelling“ seines Geistes durch einen modernen Dichter, um von Hafis inspirierte Gedichte zu schaffen. Das beste Beispiel dafür ist der Dichter Daniel Ladinsky in seinem Buch The Gift: Poems von Hafiz, der große Sufi-Meister. Es handelt sich um Gedichte, von denen Ladinsky behauptet, sie seien in einem Traum zu ihm gekommen, in dem Hafis "mir Hunderte von Zeilen seiner Gedichte auf Englisch vorsang und mich fragte, diese Botschaft meinen 'Künstlern und Suchenden' geben " (Mansfield, 2).

Ein populäres Gedicht, das online gefunden wurde, wie Now is the Time, das konsequent Hafis zugeschrieben wird, sollte daher eher Ladinsky-Channeling-Hafis zugeschrieben werden. Ladinsky ist kaum der erste, der einen solchen Anspruch geltend macht. Viele Menschen, die Hafis' Mausoleum in Shiraz besuchen, behaupten, Botschaften und Anleitungen vom Dichter zu erhalten, und seine Verbindung mit dem Göttlichen ermutigt Wahrsager vor Ort, ihre Dienste anzubieten, und behauptet, Hafez' Geist leite sie.

Die Tradition der von Hafez inspirierten Poesie geht jedoch viel weiter zurück auf den deutschen Dichter Goethe (1749-1832 n. Chr.) und seinen west östlichen Diwan, eine Sammlung von Gedichten, die im Geiste von Hafis geschrieben wurden. Die Pseudo-Übersetzung persischer Werke ist am bekanntesten durch das Werk des englischen Dichters Edward Fitzgerald (1809-1883 n. Chr.), dessen Rubaiyat von Omar Khayyam im späten 19. und im gesamten 20. Jahrhundert n. Chr. ein Bestseller im Westen wurde. Fitzgerald "übersetzte" Khayyams Werk nicht so sehr, als dass er es seinem eigenen Empfindungen nach "interpretierte". Diese Tradition wird heute von Gelehrten wie Coleman Barks in seinen Arbeiten über Rumi fortgesetzt, aber keine davon ging bis Ladinsky mit dem Anspruch, in gegenwärtiger Gemeinschaft mit Hafis zu sein.

Ob Ladinsky oder andere von Hafis hören oder nicht, würde den Dichter selbst nicht beunruhigen und er würde sicherlich die Freude, die seine "neuen Werke" den Menschen bringen, sowie die Botschaften, die sie angeblich an seinem Grab erhalten, gutheißen. Während seines Lebens wurde seine Poesie von verschiedenen Menschen nach ihren Überzeugungen und Bedürfnissen interpretiert, und so ist es seit seinem Tod. Er gilt zusammen mit Ferdowsi und Rumi als einer der drei grundlegenden Dichter des Iran, aber kein einzelnes Land, Religion oder Sprache kann Hafis halten. Hafis' Vision von universeller Freundschaft, Erfahrung und Gemeinschaft mit dem Göttlichen überschreitet alle Grenzen und ignoriert alle Spaltungen, heißt alle willkommen, die mit seiner Religion der Liebe im Einklang sind.

Übersetzer

Maximilian Beindorff
Maximilian studierte Geschichte an der University of Toronto bevor er 2010 zurück nach Deutschland zog. Seitdem ist er weiterhin von Geschichte begeistert, welches zu einer langjährigen Arbeit in einem Auktionshaus für historische Gegenständen führte

Autor

Joshua J. Mark
Joshua J. Mark ist Mitbegründer der WHE und ehemaliger Professor am Marist College in New York, wo er Geschichte, Philosophie, Literatur und Schreiben unterrichtet hat. Er ist weitgereist und hat in Griechenland und Deutschland gelebt.

Dieses Werk Zitieren

APA Stil

Mark, J. J. (2020, Mai 26). Hafis Shiraz [Hafez Shiraz]. (M. Beindorff, Übersetzer). World History Encyclopedia. Abgerufen auf https://www.worldhistory.org/trans/de/1-18957/hafis-shiraz/

Chicago Stil

Mark, Joshua J.. "Hafis Shiraz." Übersetzt von Maximilian Beindorff. World History Encyclopedia. Letzte Mai 26, 2020. https://www.worldhistory.org/trans/de/1-18957/hafis-shiraz/.

MLA Stil

Mark, Joshua J.. "Hafis Shiraz." Übersetzt von Maximilian Beindorff. World History Encyclopedia. World History Encyclopedia, 26 Mai 2020. Internet. 08 Dez 2024.